Kapitel 6

Die Situation des Dachverbandes vor und um 1933

- nach den Aufzeichnungen von Simon Weiß -

 

Aus der Situation des Dachverbandes in den Zeiten vor und nach der

Machtergreifung durch die Nationalsozialisten werden die Beweggründe, die

Bedeutung und die Tragweite des Einfrierens der Vereinstätigkeit, wie sie von den

Machthabern erzwungen wurde, besser deutlich.

Nach S. Weiß begannen 1903 die Bestrebungen, Burschenvereine zu gründen,

deutlichere Gestalt anzunehmen. 1933 lagen 30 Jahre intensiver Verbands- und

Vereinsarbeit hinter den geistlichen Organisatoren. In ganz Bayern gab es

inzwischen 1549 Vereine mit 44 000 Burschen als Mitglieder. Allein in der Diözese

Regensburg gab es 434 Vereine, das bedeutete damals in 69 % der ländlichen

Seelsorgebezirke, mit 12 486 Mitgliedern (Augsburg 9 462; München 7 549;

Würzburg 5 450; Passau 3 467; Eichstätt 2 863; Bamberg 2 689). Für die Diözese

Regenburg vermerkte S. Weiß folgende berufliche Gliederung der Mitglieder:

73,34 % kamen aus der Landwirtschaft, 18,51 % aus dem Handwerk, 7,41 % aus der

Arbeiterschaft und 0,74 % waren aus sonstigen Berufen. Diese Zahlen entsprachen

fast dem Landesdurchschnitt. “Das religiöse Leben nahm die Jahre her immer

größeren Aufschwung”, schreibt S. Weiß. “Die Quartalskommunion war fast in allen

Vereinen durchgeführt. Ungefähr 20 % der aktiven Mitglieder waren bei der

Monatskommunion [...]. In der Exerzitienbewegung stand, wenigstens in Bayern, der

Burschenverein an der Spitze der katholischen Organisationen.”

“1933 waren die Zuschüsse, mit denen Mitglieder bei Exerzitien in Bayern gefördert

wurden, von 7 395 RM im Jahre 1932 auf 4 681 RM zurückgegangen. 1935 waren es

1 680 RM, 1936 noch 364 RM und schließlich 1937 nur noch 125 RM”, vermerkte S.

Weiß. Das zeigen die Entwicklung des Verbandes und der Vereine zu Beginn des

Tausendjährigen Reiches sehr eindringlich! Einige weitere Beispiele aus der Feder

von S. Weiß seien hier genannt, die veranschaulichen, wie der Nationalsozialismus

an den Fundamenten des Burschenvereins rüttelte und Stein um Stein herausbrach:

 

Am 27. April 1933 erhielt Diözesanpräses Stadler (München) Redeverbot. Am

16. Juni erging das Verbot für alle öffentlichen und geschlossenen Versammlungen

und Umzüge. Auch die kath. Jugendverbände wurden im Zuge der Gleichschaltung

in die “Deutsche Jugend” unter der Führung Baldur von Schirachs eingegliedert. Bis

zum 15. Juni 1933 mussten alle Vereine mit der Mitgliederzahl gemeldet sein. Ende

Juni 1933 wurden die Konten der kath. Vereine in Bayern gesperrt. In ländlichen

Bereichen beschlagnahmte man teilweise die Vereinskassen, vereinzelt auch die

Fahnen usw. Im August wurden die Konten wieder frei und die beschlagnahmten

Gegenstände in den meisten Fällen wieder zurückgegeben. Der Schock und die 

Angst blieben! Manche Bezirksamtmänner und Kreisleiter lösten die Vereine

teilweise einfach auf, was dann wegen der Beschwerden in den meisten Fällen

wieder aufgehoben wurde (Reichskonkordat!). Auch hier kann man die

einschüchternde Wirkung leicht begreifen! Am 19. September 1933 wurde den kath.

Organisationen “jedwede Betätigung” verboten. Am 2. November wurde dieses

Verbot wieder rückgängig gemacht, eine Versammlung blieb jedoch

genehmigungspflichtig. Ein dauerndes Hin und Her, um die Vereine und Mitglieder

zu verängstigen und zu verunsichern. Sie sollten offenbar die Macht der Partei und

des Staates fürchten lernen.

Nach 1934 wurden Burschen in die SA und zum Austritt aus den Burschenvereinen

gedrängt. In manchen Orten überwachten SA-Männer auch Versammlungen der

Burschen. Ab 28. April 1934 durften Mitglieder anderweitiger Berufs- und

Standesorganisationen der Deutschen Arbeitsfront nicht mehr angehören, was mit

dem Verlust der Arbeit verbunden war. Und so ging es weiter. Schon bis 1935 waren

107 Vereine (6,9 %) als dauernd aufgelöst gemeldet. Wie wir sehen werden,

schafften es die Brennberger Burschen bis 1939!!!

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